Walter Mehring

Er gehörte zu den einsamen Rufern in der geistigen
Wüste der „Blut und Boden“ geifernden Fanatiker
und stand auf Schwarzen Listen ganz weit oben.
Goebbels verfasste einen ganzseitigen Artikel gegen
ihn, der „An den Galgen“ betitelt war.

Ich hatte die Ehre, diesem Ehrenmann zu begegnen
in München 1975 , da war er schon fast 80 und
kam mit dem Zug aus Zürich angereist, wo er mit
seiner Lebensgefährtin in einem Hotelzimmer
hauste.

Unvergesslich sein „gehacktes Bärtchen trommelt
Angriff!“ über das merkwürdige Ereignis, mit Hitler
im Hotel Adlon Aufzug gefahren zu sein.

Im Cafe Stefanie in der Schellingstraße bestellte
Mehring dann ein Glas Mineralwasser. Die Kellnerin
brachte ihm ein kelchförmiges Gefäß von ansehnlicher
Größe, weil sie seine Prominenz wohl ahnte.
„Ja glauben Sie denn, ich will baden?“ rief da der
Satiriker und letzte lebende Expressionist.

Hier ein paar Zeilen aus einem Chanson von 1920:

Wir haben die ganze Welt gesehn
— Die Welt war überall rund!
Um alle paar Monat vor Anker zu gehn
Bei einem Mädchenmund!

Wir sahn eine Mutter in schneeigem Haar,
— Die verkuppelte uns ihr Jöhr;
Wir fraßen pfundweis den Kaviar
Direkt an der Quelle vom Stör!

Wir sahen Seeanemonen und Qualln,
Die schmückten Gebein und Gewand
Eines Matrosen, der war gefalln
Für irgendein Vaterland.

(…)

 

Foto: Unbekannt

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