Stammspieler der Strafgesetze

Prolog zur Fußball-EM

Ein Journalist der Augsburger Allgemeinen schrieb kürzlich sinngemäß, das Schicksal sei doch ungerecht, wenn es den größten Kotzbrocken die atemberaubendsten Talente verleihe. Dabei ließ er keinen Zweifel aufkommen, wen er damit zuvorderst meinte: den minuziös ondulierten und gegelten Dressman und egomanischsten Selbstdarsteller, den der Fußballzirkus je hervorgebracht hat, namentlich den portugiesischen Beau Cristiano Ronaldo von Real Madrid, der sich im Licht seiner Eigenmarke CR7 sonnt und darüber hinaus sogar mit dem Kopf viele schöne Tore erzielt, ohne dass die Frisur dabei Schaden nimmt.

„Wer liebte nicht vor allen Wundererscheinungen das allerfreuliche Licht,“ schrieb Novalis in seinen Hymnen an die Nacht. Wer hätte gedacht, dass in unserer Zeit sogar Lichtgestalten wie Franz Beckenbauer ihrer Aureolen verlustig gehen und in der Finsternis von Skandalen versinken? Dieser obskuren Seite des Fußballhimmels wollen wir uns nun zuwenden und beschränken uns dabei auf einige ihrer bekanntesten Akteure, die eindeutig über das Ziel hinaus schossen.

Trainer-Legende Hans Meyer sagte einmal: „In jedem Kader gibt es fünf richtig blöde Spieler. Von denen würde einer auf jeden Fall unter der Brücke landen, wenn er nicht Fußball spielen würde.“ So ist es wohl, so mag´s wohl sein. Auf jeden Fall fühlen sich viele Kicker in der Parallelwelt ihrer Popularität und Privilegiertheit offenbar so „kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säue“ (Goethe) und offenbar erhaben über Gesetze und Verordnungen, wie sie beispielsweise für dumpfbackige Anhänger gelten, die ihrer Intelligenz allwöchentlich mit orpheusgleichen Hochgesängen wie na na na na , he he he oder ole ole ole oder la la la la la la la Ausdruck verleihen, wenn sie nicht mit vulgären Schmähgesängen, Pöbeleien und Sprechchören gegen Gegner und Schiedsrichter auffallen.

Nehmen wir Lionel Messi vom FC Barcelona, den mehrfachen Weltfußballer des Jahres mit über 6 Millionen Facebook-Freunden und Botschafter für UNICEF. Man wirft „La Pulga“ vor, er habe seine lobenswerte Spendierfreudigkeit durch Steuerhinterziehungen in Millionenhöhe über Briefkastenfirmen in Steueroasen finanziert, neuerdings als enttarnter Akteur in den „Panama Papers“. Der Kicker zeigt sich also auch außerhalb des Fußballfelds als großer Trickser vor dem Herrn. Für solcherlei Aktivitäten musste sich Fußball-Manager und Ex-FC Bayern-Präsident Uli Hoeneß nach seiner Selbstanzeige vor Gericht verantworten und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Dieses Urteil könnte auch für Lionel zur Messilatte werden.

Ein anderer Zauberer der kickenden Oberklasse stammt aus den Unterschichten der Randzonen von Lyon, heißt Karim Benzema und spielt bei Real Madrid. Er gilt als Strafraumgespenst und hat sich unlängst auch in anderen strafbaren Räumen bewegt, nämlich als unkollegialer Mittelsmann in einem Erpressungsfall mit Sex-Video. Und gab es da nicht auch noch eine Sex-Affäre mit einer minderjährigen Prostituierten? Von ihm später mehr.

Eine schillernde Figur war Rene Higuita, vormals bekannt als „El Loco“ (der Verrückte) und ehemaliger Nationaltorhüter Kolumbiens. Er stammt aus der Drogenmetropole Medellin und war der weltweit torgefährlichste Torhüter, bis ihn 1998 der Paraguayer Chilavert ablöste.

Weltberühmt war seine Parade „Skorpion-Kick“: Fernschüsse fing er dabei nicht mit den Händen, sondern ließ sich nach vorne fallen und schlug den Ball kopfüber mit beiden Hacken ins Feld zurück. Hals über Kopf stürzte sich Higuita auch öfter in Konflikte mit dem Gesetz. 1993 war er in einen angeblichen Entführungsfall mit einem Drogenboss verwickelt, bei dem er als Übermittler 64.000 Dollar kassiert haben soll. Dafür saß er fast ein halbes Jahr Untersuchungshaft.

Dergleichen blieb dem Spanier David de Gea erspart, Torhüter in Diensten von Manchester United und somit kein armer Schlucker. Er musste sich vorwerfen lassen, in einem Supermarkt einen Donut für 1,38 Euro geklaut zu haben, den er gleich am Ort des Mundraubs verspeiste und diesen verlassen wollte, ohne zu bezahlen. Per Überwachungskamera war er überführt worden, blieb aber ohne Strafe. Soeben vor der EM 2016 wurde sein Name in Zusammenhang mit einem Sexskandal gebracht.

Einer der besten Fußballer aller Zeiten ist Diego Maradona. Der kleine „El Pibe“ kam aus den Slums von Buenos Aires und wurde für ganz besondere Marotten bekannt. 1994, als Journalisten sein Haus belagerten, verschanzte sich Maradona hinter seinem Auto, schoss mit einer Luftpistole wild um sich und verletzte dabei einige Reporter. Dafür wurde er zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Monate später fiel er bei der Weltmeisterschaft durch einen positiven Drogentest auf und musste abreisen. Dass er die Jahre danach nicht nur gegessen und getrunken, sondern gefressen und gesoffen hat, belegen 75 kg Übergewicht, denen er mit einer Magenverkleinerung und diversen Kuren zu Leibe rückte.

Auch der italienische Nationalspieler Mario Barwuah Balotelli fiel des Öfteren als böser Bube aus der Rolle. So warf er mit Dartpfeilen auf Jugendspieler und ballerte einmal mit einer Spielzeugpistole herum, wodurch er einen Großeinsatz der Polizei auslöste. Mehr über ihn später.

Der englische Nationalspieler Ashley Cole traf dagegen mit einem echten Luftgewehr, und zwar einen Praktikanten auf dem Trainingsgelände des FC Chelsea, weil er angeblich nicht wusste, dass die Waffe geladen war.

Nicht nur mit den Füßen, auch mit mit ihren Fäusten wissen Fußballstars umzugehen.

Der erwähnte Mario Balotelli verprügelte seinen Trainer Roberto Mancini, und sein französischer Kollege Eric Cantona griff als Spieler von Manchester United einen Zuschauer im Kung Fu-Stil an und entkam knapp einer zweiwöchigen Gefängnisstrafe.

Gegen solche Eskapaden nehmen sich die unzähligen Vergehen von Fußballern gegen die Straßenverkehrs­ordnung im Vergleich doch geradezu läppisch aus – wörtlich genommen: Einen Lappen fürs Autofahren halten manche von ihnen nämlich nicht für zwingend erforderlich, wie zum Beispiel Fußball-Nationalspieler und Jugendidol Marco Reus von Borussia Dortmund. Der erhielt für jahrelanges Fahren ohne Führerschein einen Strafbefehl über 540.000 Euro, der ihn indes nicht arm gemacht haben dürfte. Der Holländer Khalid Boulahrouz fiel 2006 trotz Fahrverbot mit Ausfahrten durch Hamburg auf. Die einen fahren zu schnell (Bundestrainer Joachim Löw, Günther Netzer usw.), die anderen betrunken (Stefan Effenberg, Gerald Asamoah), und schon ist der Führerschein weg. Bei manchen durch Alkoholmissbrauch auch das ganze Leben. Diese Sucht gibt es im Fußball seit ewigen Zeiten.

George Best, der nordirische Nationalspieler, Stammspieler von Manchester United und Stammtischbruder, liebte nicht nur smarte Dribblings, sondern auch harte Drinks. Berühmtes Zitat: „Die Hälfte des Geldes, das ich verdient habe, ist für Alkohol, Frauen und Autos draufgegangen, den Rest habe ich einfach verprasst.“ 1984 musste er wegen Trunkenheit am Steuer für zwei Monate ins Gefängnis. Selbst nach einer Lebertransplantation gab er die Sauferei nicht auf und starb 2005 mit 59 Jahren. An seiner Beerdigung in Belfast nahmen 100.000 Menschen teil. Heute trägt das dortige Stadion seinen Namen.

Helmut Rahn, Weltmeister und Siegtorschütze im Endspiel von 1954, landete 1957 mit seinem Fahrzeug betrunken in einer Baugrube. Als ihn Polizisten vorläufig festnehmen wollten, wurden sie von ihm mit Schlägen und Tritten malträtiert.

Mit legendären Sauftouren war auch das englische Enfant terrible Paul Gascoigne („Gazza“) Dauergast auf den Titelseiten der Regenbogenpresse. Seine Geschichte ist gezeichnet von Abstürzen, Entziehungen und Rückfällen. Zuletzt kursierten erschütternde Bilder von einem desorientiert umherirrenden Mann mit Verletzungen im Gesicht, die von der englischen Presse als „Bloody Tragedy“ untertitelt wurden.

Der beinharte Verteidiger Uli Borowka (genannt „die Axt“) war nach eigenem Bekunden schon bei seiner ersten Profistation Borussia Mönchengladbach psychisch alkoholabhängig. Zitat: „Ich habe am Tag einen Kasten Bier, eine Flasche Wodka und eine Flasche Whisky gesoffen.“ Und derart geht es bei anderen munter bis heute weiter.

Dem deutschen Ex-Nationalspieler Kevin Großkreutz wird vorgeworfen, sich nach dem Pokalfinale in Berlin betrunken und danach in die Lobby eines Hotels uriniert zu haben. Bei einer Streiterei in Köln warf er angeblich mit einem Döner auf seine Kontrahenten. Der Kölner FC-Manager Jörg Schmadtke ließ es immerhin mit einem Kaugummi-Wurf Richtung Coaching-Zone des Gegners bewenden, wofür er eine Geldstrafe von 8.000 Euro aufgebrummt bekam.

Seine Fans nennen ihn „Rey Arturo“ – und in der Tat ist Arturo Vidal vom FC Bayern ein König der Gelben Karten. Bis 2015 kassierte er sie in vier Jahren Wettbewerbe übergreifend 53mal. In der letzten Bundesligasaison für Bayer Leverkusen waren es in der Saison 2009/10 immerhin 14. Bei Bayern München riss er sich in der Saison 2015/2016 am Riemen und kam auf nur 6 mal Gelb. Immer wieder flüchtete er vor den Entsagungen der Trainingslager und fand nur schwer, übernächtigt und angeschlagen wieder zurück. Die Rote Karte bekam er dafür weder von seinen Vereinen noch von der chilenischen Nationalelf.

Auch Drogen wie Kokain sind in Fußballkreisen nicht unbekannt. In Mode war zeitweise das Doping mit dem Steroid Nandrolon. Zu den Konsumenten gehörten Nationalspieler wie die Holländer Edgar Davids und Jap Stam, der Portugiese Fernando Couto und sogar der Spanier Pep Guardiola, dem beim AS Rom eine viermonatige Sperre dafür aufgebrummt wurde.

Gefährliche Gegner sind Fußballer nicht nur auf dem Spielfeld. Als solche tun sie sich auch bei Rasereien außerhalb von Rennstrecken hervor. Zlatan Ibrahimovic lieferte sich sogar ein Rennen mit der Polizei und ließ den Ordnungshütern mit geschätzten 325 km/h dabei keine Chance. Der Däne Nicklas Bendtner fuhr 2009 er einen Aston Martin zu Schrott, 2012 war er zu schnell unterwegs und musste für 56 Tage auf den Führerschein verzichten. 2013 fuhr er in Kopenhagen mit mehr als 1,7 Promille auf der Gegenfahrbahn. Das Urteil lautete: Drei Jahre Führerscheinentzug und umgerechnet 113.000 Euro Strafe. Auch der bereits in anderem Zusammenhang erwähnte Karim Benzema wurde 2013 in Madrid am Steuer seines Audi-Flitzers in einer 100er-Zone mit 216 km/h geblitzt. Das hätte eine Gefängnisstrafe von bis zu 6 Monaten geben können. Er kam aber mit einem achtmonatigen Führerschein-Entzug und einer Geldstrafe von 18.000 Euro davon. Schon 2009 fuhr der Franzose in einem Audi Q7 gegen einen Baum – allerdings mit nur 40 km/h, was drauf schließen lässt, dass er die Lenkerei nicht recht im Griff hatte. 2015 wurde er zum zweiten Mal ohne Fahrerlaubnis am Steuer eines Rolls Royce erwischt.

Dass der Fußball ein gesellschaftliches Phänomen ist, das große Bedeutung für die Sitten und die zeitgenössische Mentalität hat und diese stark beeinflusst, weiß auch Papst Franziskus, der über die Fußballer spricht: „Auch wenn Sie sich dessen nicht bewusst sind, für viele Menschen, die mit Bewunderung auf Sie blicken, sind sie ein Vorbild, im Guten wie im Schlechten.“ Dies ist fein beobachtet. Dass sie auch auf dem Feld nicht immer der „Schönheit, Selbstlosigkeit und Kameradschaft“ frönen, wie Franziskus es fordert, hat gute Gründe.

Die FIFA und die UEFA haben zwar eigene Regeln für das Fair Play im Fußball definiert, beschäftigen dafür eine Kommission und verleihen nach einer Wertung einen Award, der das anständige Spiel zelebriert. Allerdings ist es so, dass beim Fußball das „Foul“ als taktische Maßnahme legitimiert ist und schon Jugendspieler verinnerlichen, dass eine beinharte „Notbremse“ im Zweifelsfall einem Gegentor vorzuziehen ist. Wo Nickligkeiten, Frustfouls und Ellbogenchecks gang und gäbe sind, gedeihen offenbar auch Auswüchse anderer Art, ganz unabhängig von ethnischer Herkunft, Kultur und religiöser Überzeugung.

 

 

 

 

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